ZERTIFIZIERUNGSSYSTEME FÜR IMMOBILIENOBJEKTE

25. März 2019 | Immobilien, Ideen, News,

Zertifizierungssysteme für Immobilienobjekte

 

Bis vor einigen Jahren lag das Hauptaugenmerk der Bauherren, seien es private oder öffentliche Unternehmen, auf der Errichtung und Sanierung von Immobilien. Weniger Aufmerksamkeit erfuhren wesentliche Faktoren, wie z.B. Bewirtschaftungskosten oder Recyclingfreundlichkeit im weiteren Lebenszyklus der Immobilie. Nachhaltigkeit in der Immobilien- und Baubranche ist das Zusammenspiel der drei wichtigsten Bereiche: Ökonomie, Ökologie und soziale Verträglichkeit eines Bauwerkes. Diese Faktoren liegen allen weltweitgeltenden Bewertungs- und Zertifizierungssystemen zu Grunde und bilden das Grundgerüst bei der Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens. 

 

In dem Bestreben die gebaute Umwelt so zu gestalten, dass die zukünftigen Generationen in ihren Entwicklungsaussichten und ihrer Lebensqualität möglichst wenig eingeschränkt werden, erfuhren die Strategien des nachhaltigen Bauens seit Anfang der 90er Jahre besonderes Interesse der Öffentlichkeit. Außerdem verbringen wir immer mehr (Frei)Zeit innerhalb von Gebäuden; diese sind für 40% des weltweiten Energieverbrauches, für 30% des weltweiten Co2 Ausstoßes und 30% des weltweiten Ressourcenverbrauches verantwortlich, außerdem bestehen 20% des Volumens der kommunalen Deponien aus Bauschutt und-abfällen. Es ist nicht auszuschließen, dass auch 20% der Krankenstände kausal mit Immobilien in Verbindung gebracht werden können. So ist es nicht verwunderlich, dass entsprechende Normungs-, Bewertungs- und Zertifizierungsverfahren elaboriert und standardisiert werden mussten, um das Bewusstsein der Immobilien- und der Bauwirtschaft zu sensibilisieren.  

 

Als internationale Grundlage für nachhaltiges Bauen dient die Norm ISO/TC 59/SC 17, aus welcher dann die europäische Norm CEN/TC 350 emporging und die ihrerseits durch die „Richtlinie 2002/91/ EG Directive on Energy Performance of Buildings – EPBD“ ergänzt wurde.Building Research Establishment Environmental Assessment Method oder BREEAM war das erste nationale Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen seiner Art und wurde 1990 in Großbritannien ins Leben gerufen. Aufbauend auf BREEAM wurden das US-Amerikanische (LEED) und das kanadische Zertifizierungssystem entwickelt. 

 

In deutschsprachigem Raum zählt das Bewertungsverfahren der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, kurz DGNB, seit 2009 zum Vorreiter im Bereich des nachhaltigen Bauens und Bewirtschaftens von Neubauten und Bestandsobjekten. Die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) wurde ebenfalls 2009, als Kooperationspartner der DGNB, gegründet und zertifiziert Bauten nach einem für Österreich adaptierten Verfahren. Im Mittelpunkt der Arbeit aller nationalen Stellen dieser Art steht primär die Messbarkeit der Beurteilung und die Bewusstseinsbildung. 

 

Der anfängliche Fokus auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie, Soziales – wurde bereits nach einem Jahrzehnt neuüberdacht und erfuhr eine wesentliche Erweiterung durch alle Zertifizierungsinstitute. Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Auditoren stehen nicht mehr nur die drei genannten Kriterien; stattdessen hielt eine holistischere Herangehensweise Einzug in die Bewertungsprozesse, damit die Bewertung bereits in der Planungsphase eines Neubaus beginnen kann und sich dann z.B. auf den Betriebsprozess ausdehnen kann. Der Anwendungsbereich der Zertifikate erstreckt sich auf Wohn-, Büro-, Hotel-, Handels- und Industriegebäude. Im Mittelpunkt des DGNB/ÖGNI-Bewertungskatalogs stehen mittlerweile folgende Kriterien:

 

-) Ökologische Qualität: Ressourcengewinnung, Trink- und Abwassermanagement,      
    Flächeninanspruchnahme, etc…

-) Ökonomische Qualität: Kosten im Lebenszyklus, Umnutzungsfähigkeit, etc…

-) Soziokulturelle und Funktionale Qualität: Thermik, Raumluftqualität, akustischer und visueller
    Komfort, etc…

-) Technische Qualität: Schallschutz, Gebäudehülle, Reinigungsfreundlichkeit, Rückbau- und
    Recyclingfreundlichkeit, etc…

-) Prozessqualität: Projektvorbereitung und -dokumentation, Qualität der Bauausführung,
    Ausschreibung und Projektvergabe, etc…

-) Standortqualität: Mikrostandort, Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln und
    nutzungsrelevanten Objekten, etc…

 

Die Arbeit dieser Institute dient der Überwindung der Wissensassymetrie zwischen Projektentwicklern, Betreibern und Endverbrauchern (Mieter, Kunde, Büromitarbeiter) und dient dem Vertrauensaufbau. Ein weiterer, positiver Aspekt der Arbeit der Zertifizierungsinstitute ist, dass die gesamte Bauindustrie einen Anreiz bekommt einen Schritt weiter zu denken und damit Raum für Innovationen zu schaffen. Alle Seiten der Gleichung profitieren von positiver Bewertung eines dieser Institute. Der Bauherr kann die Marktposition seiner Immobilie durch eine Zertifizierung erheblich steigern. Ein internationaler, CSR-bewusster Mieter, der auf bestimmte Qualitäten Wert legt und seinen Mitarbeitern produktivitäts- und gesundheitsfördernde Umgebung bieten möchte, bekommt durch die Zertifizierung ein transparentes Regelwerk, um seine Entscheidung zu fällen. Der Verbraucher bekommt eine Immobilie, die nicht nur „Green“ ist, sondern nachhaltig genutzt werden kann und an ihre Umgebung und den Zeitgeist angepasst ist.

 

Abschließend kommen zwei kleine Beispiele, anhand zweier durch DGNB/ÖGNI und LEED bewerteter und ausgezeichneter Bauprojekte. 

-) Eine Filiale, einer der größten Handelsketten im deutschsprachigem Raum, wird mit besten Bewertungen versehen, weil bei der Errichtung auf die recyclingfreundliche und ressourcenschonende Holzbauweise zurückgegriffen wurde, um dadurch höchste energetische Qualitäten zu erlangen. 

-) Eine Neubau-Werkhalle erreicht gute Bewertung wegen der eingeplanten geographischen Ausrichtung, die die natürliche Beleuchtung ermöglicht. Außerdem wird die gute und sichere Verkehrsanbindung an Bahn- und Fahrradwege unterstrichen, die bei der Bewertung besonders berücksichtigt wurde.